Südafrika – Neustart

Start mit Schrecken

Ohne das prognostizierte Chaos checken wir am Flughafen Zürich-Kloten ein und haben einen ruhigen Flug nach Südafrika. Wir können sogar etwas schlafen, so dass wir in Johannesburg einigermassen fit ankommen. Unseren MAN finden wir in (äusserlich gesehen) einwandfreiem Zustand vor. Da die Fahrzeugbatterien an einem smarten Ladegerät hingen, springt er auch sofort an und wir können aus der Halle hinausfahren, in welcher er während viereinhalb Monaten eingelagert war.

Auf dem sogenannten „Campingplatz“ – einer Ecke auf der Wiese mit improvisiertem Freiluft-WC und nicht funktionierendem Elektroanschluss, entdecken wir erst das grosse Problem.

Der grosse Schreck

Unsere Elektroanlage ist tot. Unsere 6 Lithium Akkus sind bis auf 0,5 bis 2,0 Volt entladen. Das heisst, dass der Verantwortliche Weisse unsere Batterien nicht überwacht hat und das vierzehntägliche Laden der Batterien nicht vorgenommen hat. In der Folge versuchen wir die Batterien mit unserem LKW Ladegerät zu laden, jedoch ohne Erfolg, da sich die Batterien elektronisch verabschiedet haben. Wir improvisieren, ziehen ein Stromkabel ins Fahrzeug, um wenigstens unsere Smartphones zu laden und mit dem Induktionskocher eine Suppe kochen zu können. Das mitgebrachte Gepäck mit allerhand Ersatzmaterial kommt uns überall in den Weg und wir haben so zu Beginn eine richtige Unordnung im Fahrzeug. Aber – es geht.

Eskalation

Schliesslich eskaliert die Situation. Der Südafrikaner steht schlussendlich in unserem Fahrzeug mit einem Riesenladegerät Bauart anno dazumal und will unsere Batterien laden. Er hindert uns an unserer Arbeit und wird ganz wirr. Wir dürfen keinen Mucks mehr sagen sonst braust er auf. „Ich sei auch so ein Vorgesetzter gewesen, der von allem keine Ahnung gehabt habe und mit seinem Personal nach Belieben umgesprungen sei…“ und noch viele weitere Schimpfworte muss ich über mich ergehen lassen. Daran, dass wir keinen Strom haben ist die Stadtverwaltung schuld (und nicht seine stümperhafte, marode Installation) etc.

Wir kommen zur Erkenntnis, dass wir so nie zu einem gescheiten Ziel kommen und fliehen am nächsten Tag förmlich von diesem schrecklichen Ort. Die nahegelegene Backpackers Lodge „Backpacker Connection“ nimmt uns gerne auf. Hier können wir im Auto wohnen, der Landstrom funktioniert 24 Stunden am Tag und die Toiletten und duschen sind sauber und das Duschwasser ist heiss. Hier kommen wir zur Ruhe, leben zwar immer noch improvisiert, können aber endlich an die Lösung unseres Problems denken. Da ohnehin Wochenende ist, packen wir unser Gepäck aus und verschönern das Innere unseres Fahrzeugs mit einigen mitgebrachten Bildern.

Befindlichkeit

Die ganze Situation nimmt uns gedanklich und nervlich sehr in Anspruch. Uns ist klar: „Wenn wir die Akkus nicht mehr laden können, dann müssen wir nach Hause verschiffen„. Selbst in Südafrika sind solche Akkus nicht zu erhalten (wir haben nachgefragt) und zudem ist eine Neuanschaffung sündhaft  teuer – vom Transport aus Europa nach Südafrika ganz zu schweigen.
Doch wir geben trotzt der Schwierigkeiten nicht auf und versuchen Schritt um Schritt das Problem zu lösen. Immerhin können wir improvisiert im Fahrzeug Leben, sind somit quasi bei uns zu Hause!

Der Elektroprofi in Deutschland

Wir nehmen per Whatsapp Kontakt auf mit Ralf Weiss, Kraftfahrzeugelektriker in Bad Saulgau. Er kennt die Elektroanlage unseres Fahrzeugs, sowie die verbauten Komponenten. Er weist uns an, ein regelbares Labornetzgerät mit einer Leistung von 5-10 Ampere und einer Spanne von 10 bis 30 Volt zu kaufen und mit diesem Gerät, jede der Batterien aus dem Tiefschlaf aufzuwecken. Guter Rat ist teuer, denn wer weiss, wo es in der Umgebung von Johannesburg ein Elektronikfachgeschäft gibt? Die Mehrzahl der Südafrikaner sind sehr praktisch veranlagt, sie können Autos reparieren, wissen wie man Feuer macht, können Angeln und Wild jagen und sehr viel mehr. Aber Elektronik? Wir entschliessen uns, nach Pretoria zu MAN zu fahren, dort den ohnehin fälligen Service ausführen zu lassen und hoffen, dass es da einen Fahrzeugelektriker gibt, der uns weiter helfen kann.

Schlussendlich haben wir immer wieder Kontakt mit Ralf Weiss und er führt uns Schritt für Schritt durch den gesamten Prozess – und bis zum Erfolg. Wir können Ralf Weiss nur von Herzen danken für seine Hilfe.

Hatfield MAN in Pretoria

Wir sind um eine weitere positive MAN-Werkstatt-Erfahrung reicher. Hatfield MAN in Pretoria hat sich vorzüglich um unser Fahrzeug gekümmert. Diese „TÜV-Rheinland“ zertifizierte LKW Werkstatt hat alle Arbeiten fachmännisch ausgeführt. Auf unseren speziellen Wunsch wird auch die Bremsanlage geprüft – zum Glück! Denn einer der Bremszylinder ist undicht und die Motor- bzw. Dauerbremse funktioniert nicht mehr. Also erhalten wir eine neue Dauerbremse (Ersatzteil hatten wir dabei) und einen neuen Bremszylinder, der über Nacht aus Johannesburg angeliefert wird. Wir dürfen auf dem Gelände über Nacht stehen, erhalten einen Landstromanschluss und eine Toilette / Dusche zugewiesen (wir leben ja immer noch improvisiert). 

Ja, und unser Plan ist aufgegangen: Gustav, der Werkstattchef nennt uns mehrere Fachgeschäfte nicht weit von Hatfield entfernt, wo wir zu dem benötigten Labor-Netzgerät kommen, das wir benötigen. Danach fahren wir zurück zur Backpacker-Lodge in Johannesburg. 

Unsere Lithium Akkus lassen sich wieder laden

Mit dem regelbaren Labornetzgerät ausgestattet, machen wir uns umgehend ans Werk. Ich beginne bei dem Akku, welcher nur noch über 0,5 Volt Spannung verfügt. Da dieser Vorgang nicht ganz ungefährlich ist, sitze ich die ganze Zeit daneben und überwache die Akkus.
Für den ersten Akku benötige ich mehr als 5 Stunden Ladezeit, bis er eine Spannung von 11 Volt aufweist. Akku Nr. 2 benötigt etwa 3 Stunden, dann 2 Stunden und schliesslich nur noch kurze Zeit, bis alle Akkus auf etwa 10 bis 11 Volt gebracht sind. Ich kann es hören, wenn sich die Akku-Elektronik wieder einschaltet und beginnt, Ladung zuzulassen.

Alle Akkus liegen jetzt bei etwa 9 bis 11 Volt. Im nächsten Schritt lade ich die Akkus da, wo sie zusammengeführt sind, mit unserem intelligenten Ctech 24V Ladegerät, bis alle Akkus eine gleichmässige Ladung von 12V aufweisen. Erst jetzt schalte ich unsere Elektronik wieder ein – und oh Jubel – alles funktioniert wie vorher. Über Landstrom werden nun wieder die 480 Ampere-Stunden eingelagert, was ich weiterhin überwache. Auch in den kommenden Tagen verhalten sich die Akkus unauffällig – wie früher, völlig normal. Sind wir dankbar, dass wie nun wieder zuverlässigen Strom haben und diesen auch über unsere Solarzellen generieren können. 

Überland-Horn

Der eine Tubus unseres Überlandhorns ist in Namibia abgebrochen. Billiges Plastikprodukt. Wir richten unsere Outdoor Werkstatt ein. Ermutigt durch die erfolgreichen Arbeiten an den Akkus, entfernen wir das alte Horn und montieren das neue Horn. Ein ganzer Tag Arbeit, da dieses auf dem Fahrzeugdach ab- und wieder montiert werden muss. Nun können wir uns im starken Verkehr, wenn es sein muss, wieder Gehör verschaffen oder andere LKW-Fahrer mit dem Horn grüssen.

Neue Reifen

Zum Abschluss, lassen wir unsere neuen Reifen, die wir bereits vor einem Jahr gekauft haben, montieren. Allerdings gehen die Mitarbeiter grob um. Sie lassen unsere Felgen auf den Beton knallen und – leider erst zu spät festgestellt – haben sie eine Sicherungsplatte und eine Sicherungsnadel an einer der Sprengringfelgen vergessen. Das Fahrzeug wird auch ungenügend gesichert, was stets ein kribbeliges Gefühl ist.
Mit den Reifen sind wir allerdings sehr zufrieden. Sie sind deutlich weicher, als unsere alten Continental und müssen nach Luftdruckliste des Herstellers auch nicht so stark gefüllt werden. Bis jetzt jedenfalls sind wir sehr zufrieden damit, auch wenn wir niemanden kennen, der diese Reifen fährt (GoodYear Offroad ORD 365/856 R20, ein Armeereifen).

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6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Hans Büchi
    9. Oktober 2022 10:48

    ihr Lieben
    Auch wenn nicht alles nur schön ist, was ihr erleben dürft, ist es doch schön, wieviel ihr sehen, erleben und auch lernen dürft. Ja, ich hätte nicht den Mut die Schweiz so lange zu verlassen und mich mit diesen technischen Problemen auseinander zu setzen. Aber ich muss ja nicht, ihr erlebt dies alles und ich kann dank eurer Berichterstattung alles in Ruhe zu Hause nach-erleben. Dafür bin ich euch dankbar !! und sende euch herzliche Grüsse in der Hoffnung, dass es euch weiterhin gut geht und ihr auch auf allen Wegen behütet seid.

    Antworten
  • Hermann Bösch
    4. Oktober 2022 21:36

    Soo gut!
    Vielen Dank Ernie für den interessanten kribeligen Bericht. Habe auch die Türkey Fotos, Videos, Berichte gelesen. Gar nicht gewusst, dass Türkey so schön ist!
    Gute Weiterreise.
    Gruss
    Hermann

    Antworten
  • Hallo ihr Gypsys,

    wieder on tour und nur Problembewältigung. Schön, dass ihr alles so bewältigen konntet, dass die Weiterreise gewährleistet ist. Wenn der MAN „gesund“ ist und die Mannschaft fit, dann kommen auch wieder die schönen und besinnlichen Erlebnisse von Land, Leuten und Natur, die euch die Energie und Sinnhaftigkeit eures Tuns bestätigen.
    Good luck auf all Euren Wegen

    Sonnige Grüße aus dem Lande Brandenburg

    Harald

    Antworten
  • Karin & Jürg
    26. September 2022 19:39

    So gut und spannend geschrieben. Nervenaufreibender start… uh das hätte mich auch geärgert… so gut, dass es gut gekommen ist…

    Antworten
  • Freddy Schulthess
    26. September 2022 14:04

    Jaja, im Leben muss man viele Hürden nehmen, die uns aber auch helfen, all dies mit Ruhe anzugehen.
    Ich wünsche Euch auf jeden Fall nur das Beste und freue mich auf Euren nächsten Bericht.
    Dank Whatsapp weiss ich schon ein wenig mehr und das freut mich jedes mal.
    Liebe Grüsse
    Euer Freddolo

    Antworten
  • Vrenie und Ernie, ich ziehe den Hut vor euch! Großartig was ihr in eurem Alter noch so alles erlebt und durchzieht! Klasse! Aber wahrscheinlich muss man spätestens als echter „Globetrotter“ wie ihr es seid, all diese Fertigkeiten mit sich bringen. Ansonsten bucht man dann lieber ne Kreuzfahrt auf nem Schiff: all inclusive! Inclusive Probleme lösen! 🙂
    Ich wünsche euch von Herzen eine gute sichere behütete Weiterreise und bin sehr gespannt auf das was ihr in naher Zukunft zu berichten habt!

    Seid herzlich gegrüßt von der Ostseeinsel Usedom!

    Ulrich

    Antworten

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